Warum eine 7/8 Hose eigentlich altmodisch und wunderbar weiblich ist
«Ich lieb‘ auch deiner Füße Paar,
Wenn sie in Gras und Blumen gehn;
In einem Bächlein sommerklar
Will ich sie wieder baden sehn!»
«Auf dem besonnten Kieselgrund
Stehn sie wahrhaftig wie ein Turm,
Obgleich der Knöchel zartes Rund
Bedroht ein kleiner Wellensturm!»
Gottfried Keller, Trauerweide
Also ich liebe, liebe die neue Modeerscheinung, die eigentlich gar nicht mehr so neu ist – verkürzte Hosen in der kalten Jahreshälfte, die knapp über dem Knöchel enden und so das zarteste Körperteil einer Frau entblößen, dem Winterwind zum Trotz.
Das ist so wunderbar altmodisch, so jung der Trend auch sein mag. Zusammen mit den lässigen Oversize-Oberteilen, die wir jetzt in den Zehnerjahren tragen, ergibt es eine Silhouette, die den Fokus von der Taille und Hüfte wegbringt und den Blick auf die schmalen weiblichen Fesseln lenkt.
Kommt uns die Intention nicht irgendwie bekannt vor? Hier zum Beispiel ein Empire-Kleid, Anfang 19. Jahrhundert:
Na gut, vielleicht habe ich zu weit hergeholt. An mir wirkt das Outfit eher androgyn, aber ich mag es 🙂
Schön weil unpraktisch?
Der Grund, warum ich diese coole Hose auf diese stylische Art und Weise diesen Winter sehr selten getragen habe ist simpel: es war grauslich und kalt. Es hat sich doch nichts verändert in all den Jahrhunderten der Modegeschichte – die Trends werden im vollen Ausmaß vor allem von jenen Bevölkerungsschichten mitgetragen, die keinen normierten langen Arbeitstag haben. Wie könnte man auch im Korsett Gras mähen? In der Rapper-Hose der Neunziger (mit Kreuznaht in der Kniegegend und tiefer) am Bau arbeiten? Mit nackten Knöcheln bei -8 auf die U-Bahn warten, die ab 22:00 nur alle 15 Minuten fährt?
Das Outfit wirkt nicht, wenn man obenrum eine winddichte fix zugemachte Parka mit einer Haube und Kapuze obendrauf trägt. Wettertechnisch perfekt ausgerüstet, nur hat man das letzte Paar saubere Socken schon gestern anziehen müssen.
Die verkürzte Hose verlangt nach einem offenen Mantel, handschuhfreien Händen, einer lässig in den Nacken geschobener Haube. Zumindest irgendwas davon.
Hier habe ich auf jegliche Oberbekleidung verzichtet, immerhin ist es ja schon März, zum Glück. Ich werde das Outfit nun genau so richtig oft tragen, auch wenn die Hose nicht (mehr) richtig sitzt. Dazu gleich mehr.
Schnittmuster
Hose: Burda 2/2016, auch hier gezeigt.
Eulenshirt: Weites Shirt mit angeschnittenen kurzen Ärmeln, selbst konstruiert.
Das Shirt ist genäht aus einem Viskosejersey-Rest, kaum größer als 60 cm. Daher ist auch das Halsbündchen aus einem anderen Jersey zugeschnitten.
Ja, ich weiß. Die Hose passt nicht richtig. Viel Mehrweite vorne. Sie hat mal perfekt gepasst, ich kann es selbst kaum glauben. Hatte keine einzige Falte vorne – bei der ersten Anprobe habe ich fast gejubelt.
Meine Taillen- und Hüftmaße sind leider sehr volatil und reagieren auf jegliche Gewichtszu- und Abnahme. Ich werde einfach wieder mehr essen und mir weniger Sorgen machen und dann passt die Hose schon wieder. Ich würde nämlich nur ungern eine neue nähen – das war das erste Projekt, bei dem ich Stunden getrackt habe und bin auf insgesamt 30 gekommen. Bumm, bin ich langsam!
Dieses Lieblingsoutfit von mir darf am heutigen MeMadeMittwoch teilnehmen – dort zeigt Wiebke ihr Frühlingskleid in Herbstfarben… Und auf die Kreationen von allen anderen freue ich mich auch schon sehr!
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blaupause7
Bei meinem letzten Aufenthalt in Berlin Nov’16 habe ich mich vor allem über die Temperaturunterschiede zwischen drinnen und draußen gewundert: draußen ar***kalt, innen die Räume gnadenlos überheizt. Ich mag es auch gerne warm, aber deswegen muss ich nicht alle Heizkörper auf der höchsten Stufe bollern lassen 😉
kuestensocke
Zauberhaft und wie so oft elfengleich schaust Du aus. Die schmale Hose betont Deine zarte Figur und die schmalen Fesseln. Ich mag den Look sehr gern leiden. Und Du hast es einfach cool gestylt. LG Kuestensocke
blaue Seide
Danke schön, ich habe das Gefühl, nach diesem lieben Kommentar werde ich die Hose noch lieber tragen 🙂 Liebe Grüße Juli
Ina
Sehr schöne Hose, die Du wunderbar in Szene gesetzt hast. An Dir gefällt mir auch die 7/8-Länge. Ich selbst konnte mich leider nie zu solcher Art Knöchelfreiheit durchringen. Liegt wohl an meiner in der Kindheit und Jugend begründeten Zu-kurze-Hosen-Phobie. Ansonsten habe ich Deine Überlegungen zu Mode und deren Tragbarkeit im (Arbeits-)Alltag mit großem Vergnügen gelesen und stimme Dir zu 🙂 Liebe Grüße von Ina
blaue Seide
Ah ja, das kann ich verstehen, das traumatisiert 🙂 Ich kann mich ja noch immer nicht zu richtigen Oversize-Sachen motivieren (es wird, aber seeehr langsam), da ich als Teenager jahrelang Sachen tragen musste, die viel zu groß waren… Also jetzt seh ich, dass sie einfach zu groß waren, damals dachte ich, ich habe halt eine schlechtere Figur als alle anderen 🙂
Es freut mich sehr, wenn meine allgemeinen Überlegungen Anklang finden, ich habe immer das Gefühl, ich schreibe zu viel 😀
Liebe Grüße Juli
verschiedenArt
Du hast die Mode-Krux richtig schön beschrieben! 😀
In den Modezeitschriften sieht das alles herrlich lässig aus. In der Realität funktioniert leider nicht alles davon.
Wenn Du jetzt im Frühling das Zeitfenster für die 7/8 Hose doppelt intensiv nutzt ist es wieder ausgeglichen ;).
Sieht übrigens sehr gut aus, Deine Hose!! Auch die Bilder gefallen mir sehr!
Liebe Grüße
Sandra
blaue Seide
Haha, stimmt, liebe Sandra 😉
Jessica Kruk
Das Foto ist vor dem Apple Store am Kudamm entstanden (mit schönem Blick auf die Gedächtniskirche).
Ansonsten tolles Outfit, würde mir auch gefallen. Und ich kann das mit den Temperaturen durchaus nachvollziehen. Berlin ist ja nicht gerade warm im Winter (vor Allem wenn der Wind mal wieder aus Osten kommt).
Liebe Grüße aus Berlin
Jessica
blaue Seide
Wusste ich es doch, dass sich wer Einheimischer in den Kommentaren findet 🙂 Sehr cool 🙂 Berlin ist soo eine tolle Stadt, ich bin immer wieder begeistert von dem Flair! Aber wettertechnisch behaglich ist etwas anderes, das war noch der wärmste Tag unserer Reise 🙂 Viele Grüße aus dem (endlich!) sonnigen und warmen Wien
Juli
Zuzsa
Sehr schönes Outfit. Ich mag diese kürzeren Hosen sehr. Sie erinnern mich an die Caprihosen der 50er, obwohl die glaube ich noch ein Stück kürzer waren. Allerdings würde ich Frostbeule sie erst im Sommer tragen … oder mit dicken Wollsocken 😉 LG, Zuzsa
blaue Seide
Ich bin so geschmeichelt über dein Kommentar, du kannst es dir gar nicht vorstellen 🙂 Ich habe deinen Blog bereits gelesen, als ich nicht einmal einen Rock ganz selbstständig nähen konnte, du warst eíns meiner ersten Nähvorbilder 🙂 Danke für die lieben Worte, und ja, diese Länge ist genau grenzwertig für die semi-kalte Jahreszeit 🙂
Martina
Ich mag dein Outfit – besonders deine Hose. Wir waren im Winter zum Skifahren in Südtirol und da haben die trendigen Italienerinnen diese Hosenform mit dickbesohlten Sneakers getragen. WUNDERSCHÖN! Ich – in meinen gefütterten Winterstiefeln – habe allerdings bei diesem Anblick sehr gefröstelt.
Ich finde, du hast die richtige Jahreszeit für dieses Kleidungsstück gewählt.
LG Martina
blaue Seide
Haha, das kommt mir bekannt vor, dieses Gefühl! So fühle ich mich auch regelmäßig in Nordfrankreich im Hochsommer, wenn ich in einem Pulli aus Merinowolle und Jeans den nackten Kindern beim Baden im Meer zuschau 😀 Brrrr! Wieso kann ich das nicht auch! 😀